«Inside the Carlton Hotel Johannesburg» Ein Buch von Leif Bennett und Yvonne Mueller, publiziert 2017 vom Kehrer VerlagEinst blühende Metropole, Stadt des Goldes - mit dem Ende der Apartheid veränderte sich Johannesburg grundlegend: Häuser standen plötzlich leer, die Kriminalitätsrate stieg und die Infrastruktur zerfiel. Heute? Eine lebendige, spannende und pulsierende Grossstadt. Mittendrin steht ein Hotel, das viele Player dieser politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen sowie zahlreiche Stars aus aller Welt beherbergt hat. Das 5-Sterne Carlton Hotel wurde 1997 geschlossen und wird aus Angst vor Besetzung und Vandalismus rund um die Uhr bewacht. Eine leere Hülle mit mehr als 600 Zimmern verteilt auf 31 Stockwerke. Viel hat sich ereignet in den Räumlichkeiten des Hotels, zahlreiche Sitzungen und Kongresse wurden abgehalten und wegweisende Entscheidungen getroffen. Once a thriving metropolis, a city of gold - with the end of Apartheid, Johannesburg experienced a fundamental change: Houses were suddenly empty, the crime rate rose, and the infrastructure crumbled. Today? A lively, exciting, and pulsating city. At its very center a hotel which hosted many protagonists of these political and economic developements, as well as numerous stars from around the world. The five-star Carlton Hotel was closed in 1997 and is now guarded around the clock for fear of illegal occupation and vandalism. An empty shell with more than six hundred rooms on thirty-one floors. Much has transpired in the various rooms of this hotel - numerous meetings and congresses were held and ground-breaking decisions made. With their unique photographic documentation, Leif Bennett and Yvonne Mueller, two Swiss artists from Basel, provide fascinating insight into the once best hotel in the southern hemisphere. A book by Leif Bennett and Yvonne Mueller Published 2017 by Kehrer Verlag Heidelberg, Germany «merge³» Ausstellungsraum Klingental Baselvon und mit JEANNETTE MEHR, YVONNE MUELLER, DANIEL GÖTTINJeannette Mehr, Yvonne Mueller und Daniel Göttin verwandeln mit «merge³» den Ausstellungsraum mit einem eigens dafür geschaffenen Raumkonzept. Die abstrakte Formensprache als auch die architekturbezogene Vorgehensweise bilden die gemeinsame Basis der beteiligten Künstler/-innen. Präzise gesetzte Raumteiler, rhythmisierende Segmente, Wandmalereien kombiniert mit fotografisch-illusionistischen Raumbildern ergeben eine raumgreifende Gesamtstruktur. Mit den Interventionen wird die architektonische Gliederung des Raumes aufgegriffen und auf eine erweiternde Wahrnehmung erprobt.Der Raum dient als Behältnis, in dem sich die Kunst einrichtet, zur Wirkung gelangt und von dort her den Raum erschliesst. «merge³» bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen Konzept und konkreter Erfahrung sowie in einer Wechselbeziehung zwischen Raumbild und Bildraum. Durch die künstlerischen Eingriffe offenbart sich der Raum in einer zeitlichen Erfahrung von Schnitten und Übergängen. Es ergeben sich Standpunkte, von wo aus Räume ausgemessen, besetzt werden, und wo Sinne als auch Einbildungskraft Anhaltspunkte finden. Messbare Grössen wie Höhe, Länge und Tiefe sind für Daniel Göttin konzeptionelle Ausgangspunkte als auch massgebend für sein Material. Die Abstände der Aluminiumstreifen ergeben sich aus der Distanz zwischen den beiden Stirnseiten des Längsraumes. Göttin hat sie bis zu einem bestimmten Mass fortlaufend halbiert. Die über Wand und Boden sich fortsetzenden Raumverspannungen leiten mit versetzten Fluchtpunkten den Blick. Dynamisierend überlagern die Bänder räumliche Koordinaten, segmentieren den Raum und fügen sich zusammen mit den Farbfeldern und schwarzen Stoffsegeln zu kompositorischen Raumelementen. Für Göttin ist das Aluminiumband ein greifbares, konkretes Material, das im Raum eine plastische Wirkung erzielt indem es sich der Oberflächenstruktur anpasst und den Raum gleichzeitig facettenreich widerspiegelt. Dabei entstehen je nach Blickpunkt stufenlose Farbübergänge, markante Schnitte oder farbliche Akzentuierungen, die das räumliche Inventar als konkreten wie auch ästhetischen Bestandteil der Installation hervortreten lassen. Die von Jeannette Mehr verwendeten Stoffbahnen entfalten sich in einer Wechselwirkung zwischen Zwei- und Dreidimensionalität. Die Gegebenheiten vor Ort und das standardisierte Material geben dabei die Masse vor. Durch das Auffalten, Umschlagen und Zusammenlegen entlang einer diagonalen Verspannung ergeben sich Raumteiler, die unterschiedliche Zugänge und Einblicke in die angrenzenden Räume gewähren. Einfache Heftklammern und Nadeln fixieren die Stofflagen, die sich in orthogonalen Richtungswechseln vereinzelt in den angrenzenden Raum ausbreiten. Durch das Falten ergibt sich eine Formähnlichkeit der Teile zu ihrem Ganzen, in der das Innen wie das Aussen mit der mehrfachen Überlagerung auf sich selbst verweist. Aus Ansicht wird Einsicht; ein Wechselspiel, das sich auch in der rhythmischen Abfolge der Stoffsegel entlang der Längsachse des Raumes wiederholt. Fotografische Ausschnitte zitieren den Raum in autonomen Bildkompositionen oder als «Trompe l’œil» in grossformatigen Wandtapeten an den Stirnseiten des Längsraumes. Yvonne Mueller erweitert die bildhaften Raumausschnitte über den Rahmen hinaus mit Flächen- und Linienverläufen, deren gleitende Ansichten auf die relative Weite und Enge des Raumes anspielen. Eine ähnliche Erfahrung stellt sich gegenüber ihrer monochromen Wandmalerei ein. Die blaue Farbe birgt eine unbestimmte Tiefe, die je nach Begrenzung eher zur Fläche, zur Form oder zum Farbraum tendiert. Formgebend für die Farbfelder sind sowohl die Architektur als auch die Richtungslinien der benachbarten Interventionen. Als Binnenform verweist die Malerei so auf ihren äusseren Rahmen und mit den weissen Aussparungen selbst auf die verkleideten Stützen der Raumfolge. Im Breitformat oder als schmaler vertikaler Streifen vermögen die blauen Flächen die konkrete Wand zu artikulieren, die so gleichsam den Blick verstellt. Im Gegensatz zur begehbaren Rauminstallation bietet der Standortwechsel hier keine Klärung. Der Verweis liegt auf der raumbildenden Vorstellungskraft.In «merge³» figurieren die individuellen künstlerischen Interventionen wie Bindeglieder zwischen unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen. Sie fassen und führen zusammen, verschmelzen und verbinden, wechseln vom kontinuierlichen Raum in ein Raumgefüge und umgekehrt. Als begehbare Installation lädt «merge³» dazu ein, sich mit wechselnden Standorten «einzumischen» und den Raum in neuen Zusammenhängen zu sehen. Manuela Casagrande, November 2011
«Architektur der Ebenen» Ausstellung im Vebikus Schaffhausen 2010
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Die fotografischen Arbeiten von Yvonne Müller sprechen von der Malerei.
Aber auch von Geschichten, von Projektionen und gelegentlich auch von
Introspektionen. Selbst die aufwendigste digitale Bearbeitung lässt
eine malerische Geste erscheinen, einen Akkord Kulturgeschichte erklingen
oder einen Fetzen tagträumerische Poesie aufwirbeln.
Die Gattungsverbindung der Malerei und der digitalen Bildbearbeitung nutzt die Künstlerin in der Motivwahl, um ikonografische Topoi wieder erstehen zu lassen und sie im selben Augenblick neu zu interpretieren. In der Bildgestaltung bedient sie sich sowohl der digitalen Montage als auch des gebauten Modells oder der gemalten Kulisse, die der Fotografie oft als Bildelement dienen. Aus
der gemalten Szenerie, in die sie ihre Figuren einfügt, macht sie
keinen Hehl: Der Vordergrund einer rousseauesk gehaltenen Landschaft wird
von einem liegenden weiblichen Menschen belegt („Exotische Landschaft“,
2005). Der Kuriosität über diese Verirrung gibt indes der Gorilla
Ausdruck, der – lauernd? begehrlich? neugierig? wachend? –
die Passivität dieser Gestalt beobachtet. Dass er allerdings eine
vergrösserte Plastikfigur ist, die in dieser Kulisse ebenso wenig
verloren hat wie die junge Frau, erkennt man erst auf den zweiten Blick. Zu den Gattungen der Malerei, der Fotografie und der Szenografie kommt also auch die Performance hinzu. Sie dient nicht der Selbstdarstellung, sondern vielmehr einem Rollenspiel. Die performativen Fotografien isoliert Yvonne Müller digital und fügt sie in ein Setting ein – sei das ein berühmtes Werk der Kunstgeschichte, ein auf menschliche Dimensionen vergrössertes Puppenhaus oder ein goldener Raum.
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Im „Goldzimmer“ (2005) klingt etwas von der heiligen Aura
einer Ikone nach, und dennoch wurde die Frauenfigur in einen völlig
neuen Raum überführt. Eine der drei Fotografien
enthüllt die Konstruiertheit des Goldraumes und gibt Anlass zur Spekulation,
ob dieser bühnenhafte Anblick dem Fehlen einer vierten Wand oder
nicht vielmehr einer heimlich entfernten oberen Abdeckung zu verdanken
ist, die aber die Figur in ihrer Introvertiertheit noch nicht bemerkt
hat.
Die Bildräume sind imaginäre Räume. Obwohl sie bewusst auf die Bildtradition verweisen, sich bei genauerem Hinschauen als Puppenhaus erweisen oder ein künstlich generiertes Setting für vermeintlich bekannte Narrationen wie Shakespeares Mittsommernachtstraum offen legen, ist allen Bildern ein Element der irritierenden Nicht-Einlösung inhärent. Die Faszination des Narziss von seinem Spiegelbild („Leuchtquelle“, 2005) ereignet sich in einem durch und durch kühlen und künstlichen Raum, dessen Fenster dem Betrachter zwar einen Blick in die Idylle verspricht, ihn im selben Moment aber auch die dunkle Ahnung des Gefangenseins in der Lichtflut spüren lässt. Der „Goldraum“ erinnert nicht nur durch seine Farbe an die wertvolle, Transzendenz versprechende Umrahmung der Heiligen in der Ikonentradition. Die reich bekleidete Frauenfigur trägt das Korsett des Adels und das Gebaren der Maria bei der Verkündigung. Doch wo ist der Erlösung versprechende Engel? wo der rettende Prinz? Steckt vielleicht im zierlichen Goldbeutel der Schlüssel aus dem Kulissenkäfig? Versuche, eine lineare Narration in diesen Bildern zu entschlüsseln, müssen scheitern, obwohl sie diese gerade andeuten. Dazu trägt wesentlich die Atmosphäre bei, die die Künstlerin in diesen Settings zu generieren vermag. Sie wirken dem Alltag oder der Kulturgeschichte entnommen und haben dennoch vieles mit Situationen zu tun, die über sie hinaus auf Stimmungen verweisen, die dem Empfinden eines jeden in bestimmten Lebenssituationen entsprechen können – tief empfundene Melancholie beispielsweise, aber auch der verträumte Blick durch den dicken Vorhang oder der absurde Kampf gegen unfassbare Traumkreaturen. Bei aller offensichtlichen Künstlichkeit herrscht in diesen Stimmungen etwas Wahres, das sich vielleicht ausschliesslich in imaginären Räumen zu zeigen vermag. Fiona Siegenthaler, Juli 2006 |